Vor 30 Jahren wurde das Oase-Kreuz in Albernau errichtet. Anlässlich dieses Jubiläums haben wir mit dem damaligen Albernauer Pfarrer Christoph Richter gesprochen, der die Aufstellung des Kreuzes im Sommer 1982 verantwortete. Lesen Sie hier das Interview mit ihm.

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Herr Pfarrer Richter, seit 30 Jahren steht das Oase-Kreuz auf einer Anhöhe in Albernau. Wie kam es denn zur Aufstellung des Kreuzes im Verlauf der zweiten Oase-Rüstzeit im Sommer 1982?

Pfr. Richter: Wir hatten bereits 1981 bei der ersten Oase, an einem kleinen Teich auf einer Anhöhe in Richtung Lauter, ein Kreuz aufgestellt. Nach einem reichlichen Jahr war es aber dann plötzlich auf unbekannte Weise verschwunden. Daher haben wir dann bei den nächsten Oasen, die im Sommer 1982 übrigens gleichzeitig in Albernau und Sosa stattfinden sollten, gedacht: Wenn wir wieder ein Kreuz aufstellen, dann stellen wir so eines auf, wie wir es bei den polnischen Oase-Rüstzeiten in Kroscienko im Pienin-Gebirge gesehen hatten. Da standen Stahlrohrkreuze. Ich habe dann meinen Plan einem geschickten und mit goldenen Händen begabten Albernauer Gemeindeglied erzählt. Dieser erklärte sich bereit ein ca. sechs Meter langes Kreuz zu bauen. Desweiteren hat dieser das Kreuz mit einem „konservierenden“ Anstrich versehen. Zuvor hatte ich bereits mit dem Besitzer eines Wiesengrundstückes am oberen Ortsrand gesprochen, welcher als Mitglied der Landeskirchlichen Gemeinschaft, mir gern der Aufstellung des Kreuzes auf seinem Grundstück genehmigte. Das Kreuz wurde dann entsprechend der Kreuzweg-Ordnung an der letzten Station aufgestellt und einbetoniert.

oase-des-des-gemeinsamen-lebens.de: Zehn Tage nach der Aufstellung des Kreuzes begannen die Auseinandersetzungen. Sie wurden mehrfach zum Bürgermeister bestellt. Worum ging es in diesen Gesprächen?

Pfr. Richter: Das erste Gespräch mit dem Albernauer Bürgermeister verlief in einer noch freundlichen Atmosphäre. Er hätte ja, dem Alter nach zu urteilen, mein Sohn sein können. Sein Hasenstall stand am Gartenzaun, der das Grundstück vom Gemeindeamt vom Grundstück des Albernauer Pfarrhauses trennte. Manchmal haben wir uns abends dort getroffen und jeder hat seine Hasen gefüttert und wir haben uns natürlich unterhalten. Insofern hatten wir einen guten Draht miteinander. Er fragte mich, wer das Kreuz wann und warum aufgestellt hatte. Das war ja klar und ich konnte ihm das Geschehen aus meinen noch frischen Erinnerungen an die „Oase“ schildern. Insbesondre erklärte ich ihm, warum wir das getan haben. Ich sagte es ihm etwa so: Sehen Sie, Herr Bürgermeister, es gibt Christen in Albernau, die verweilen gern bei einem Spaziergang auf der Bank, die am Wegrand vor der Stelle steht, wo dahinter nun das Kreuz steht.  Dieser Ort ist den Albernauern vertraut. Und wenn ich selber an diesem Ort bin, dann genieße ich nicht nur die wunderschöne Landschaft und den Blick bis nach Oberpfannenstiel, sondern ich segne  Land und Leute, einschließlich Bürgermeister. Und den Segen Gottes, den brauchen sie – ich auch. Für uns war die Aufstellung des Kreuzes damit keine Demonstrationen, sondern ein Gebetsvorgang. Der Bürgermeister wies mich nach diesen Worten zuerst darauf hin, dass für die Aufstellung des Kreuzes Schacht- bzw. Baugenehmigungen notwendig gewesen seien. Das Kreuz sei zweitens ein Verstoß gegen die Ortssatzung. Und drittens hätte es der Genehmigung des Rates der Gemeinde bedurft. Das hatten wir nicht gewusst und darum schlug ich ihm vor, den Antrag schriftlich nachzureichen. Er wollte in der Zwischenzeit prüfen, inwieweit ein Verstoß gegen Ortssatzung überhaupt gegeben war, da diese sehr unklar formuliert war.
Das zweite Bürgermeistergespräch verlief etwas härter. Er berichtete, dass sich Gemeindeglieder über das Kreuz beschwert hätten. Sie empfänden das Kreuz als eine Provokation. Daher müsse das Kreuz unverzüglich wieder entfernt werden. In meiner Erwiderung wies ich das zurück und machte den Bürgermeister auf mögliche negative Folgen unter der christlichen Bevölkerung aufmerksam, die eine Entfernung des Kreuzes mit sich bringen würde. Dennoch sagte ich ihm, zu diesem Zeitpunkt, die würdige Wiederabnahme des Kreuzes zu.

oase-des-des-gemeinsamen-lebens.de: Wie haben dann die Albernauer von dem Kreuz und dem Konflikt um das Kreuz erfahren?

Pfr. Richter: Ich habe am kommenden Sonntag eine Abkündigung im Gottesdienst verlesen, in der ich Situation und Bedeutung des Kreuzes noch einmal geschildert und die Gemeinde zur Abnahme des Kreuzes eingeladen habe.  So haben viele erst von dem Kreuz erfahren, dass ja ohne großes Aufsehen aufgestellt wurde. Als ich mit meiner Frau an dem Sonntag zu einem Spaziergang aufbrach, da trauten wir unseren Augen nicht: Ein Zug von Menschen in Richtung Oase-Kreuz unterwegs. Ganz aufgeregt kam uns da plötzlich ein Mitglied des Rates der Gemeinde mit den Worten entgegen: „Herr, Pfarrer, dos Kreiz blebbt stieh!“ („…das Kreuz bleibt stehen!“). Bei diesen Worten wurde mir klar, das es gar keinen Beschluss des Gemeinderates gegeben hatte. Nach mehreren solchen klaren Aussagen, die aus der Gemeinde kamen, beschlossen wir im Kirchenvorstand das Kreuz vorerst nicht einzuholen, sondern uns schriftlich zu entschuldigen und nachträglich um eine Aufstellungsgenehmigung zu bitten. Diesen Kompromissvorschlag hatte der Bürgermeister bei unserem zweiten Gespräch vehement abgelehnt. Aber wir wollten es versuchen. Am folgenden Dienstag musste ich dann zur Sitzung der Kirchenleitung, der ich zum damaligen Zeitpunkt noch angehörte. Dort war die Nachricht vom Albernauer „Oase-Kreuz“ bereits angekommen. Telefonische Beschwerden hatten den Präsidenten des Landeskirchenamtes erreicht. Heute weiß ich aus meiner Stasi-Akte, dass zu diesem Zeitpunkt die Vorgänge in Albernau über Aue und Dresden schließlich bis zum ZK der SED gelangt waren. Das Landeskirchenamt stellte sich dann hinter das Entschuldigungsschreiben des Kirchenvorstandes, das ich vor meiner Abreise zur Kirchenleitungssitzung abgeschickt hatte. 

oase-des-des-gemeinsamen-lebens.de: Wie ging es dann mit dem „Oase-Kreuz“ weiter?

Pfr. Richter: Ich hörte dann einige Zeit nichts mehr von den Vorgängen um das „Oase-Kreuz“. Wir haben damals zumindest nichts davon mitbekommen. Ähnlich muss es auch dem Bürgermeister gegangen sein. Ihn traf ich eines Tages im Ort und er fragte mich, ob ich  wieder einmal etwas von dem Kreuz gehört hätte. Daraufhin äußerte ich die Vermutung, dass „die da oben“ sich offenbar geeinigt hätten. Das Ergebnis sahen wir nun beide: Das Kreuz stand noch. Erst nach der Wiedervereinigung habe ich erfahren, was damals im Hintergrund passiert war. Offenbar hat es unter den zuständigen Behörden Streiterein gegeben, wie man mit dem „Problem Oase-Kreuz“ umgehen sollte. Wahrscheinlich kam es deshalb nicht zu weitreichenderen Konsequenzen. 

oase-des-des-gemeinsamen-lebens.de: Trotzdem haben Sie 2007 bei Ihrem Festvortrag zum Thema „25 Jahre Oase-Kreuz in Albernau“ die Frage gestellt „Hat am Ende Gott gesprochen“. Was meinten Sie damit?

Pfr. Richter: Der Höhepunkt der Auseinandersetzungen war ein Gespräch des Vorsitzenden des Rates des Kreises Aue mit dem dortigen Superintendenten Gilbert. Der Vorsitzende war ein Mann von 45 Jahren, sportlich, Nichttrinker und Nichtraucher – also ein sehr vitaler Mensch. Und der hat den Superintendenten zu sich einbestellt und ihn dabei derartig runtergemacht und beschimpft, sodass dieser kaum etwas erwidern konnte. Dabei muss der Vorsitzende erbost gesagt haben: „Kreuze gehören auf einen Friedhof! Und ich werde nicht zulassen das der Kreis Aue zu einem Friedhof gemacht wird!“ Das war so ungehörig, dass der Superintendent aufgestanden ist und nur noch zu dem Vorsitzenden gesagt hat: „Herr Vorsitzender, sie werden es nicht verhindern können, dass auch sie eines Tages unter Kreuzen liegen. Auf Wiedersehen!“ Elf Monate nach dieser Begegnung hat die Sekretärin den Vorsitzenden reglos über seinem Schreibtisch gefunden. Sein Tod war medizinisch nicht zu erklären. Beerdigt wurde der Vorsitzende dann aber auf dem Auer Friedhof in der Nähe eines großen Granit-Kreuzes. Ich habe von diesen Geschehnissen dann unmittelbar erfahren und am kommenden Sonntag im Gottesdienst über das Wort aus Galater 6,7 gepredigt: „Irret euch nicht, Gott lässt sich nicht spotten. Was der Mensch sät, das wird er ernten.“ (Gal. 6,7) Da hätten sie aber eine Stecknadel fallen hören. Das war eine derartige unmittelbare Betroffenheit, wie Gott reden kann. Heute muss man sagen: Die, die es nicht wollten, mussten dem Kreuz weichen.

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Herr Pfarrer Richter, vielen Dank für das Gespräch.