Ich will in diesem Jahr einmal keinen „gewöhnlichen“ Rüstzeitbericht geben, sondern einmal ein paar Anregungen formulieren, die zum Teil durch die Reflexion der bisherigen Oasen entstanden sind, zum Teil auch darüber hinaus. Diese sechs Impulse sollten wiederum in die zukünftige Oasenarbeit einfließen und sie können von jedem für sich ins Glaubens- und Gemeindeleben integriert werden.

Quelle:http://www.kirchenbezirk-leisnig-oschatz.de/pages/arbeitsbereiche/jugendarbeit.phpMeine Gedanken sind nicht etwa neu. Manche sind sogar so banal, dass man sie fast übersehen könnte. Und gerade deshalb scheint es geboten, sie auch immer mal wieder anzusprechen und ins Gedächtnis zu rufen. Einige Vorbemerkungen zur letzten Oase will ich jedoch voran stellen.

Im Februar konnte innerhalb der Konfirmandenarbeit im Kirchenbezirk Leisnig-Oschatz wieder eine "Oase des gemeinsamen Lebens" durchgeführt werden. Wir waren zu Gast in Görlitz.
Im Vorfeld gab es im September und Oktober jeweils ein Wochenende zur Schulung und Zurüstung der Mitarbeiter. Die Teilnahme an den Wochenenden war Pflicht, wollte man als Mitarbeiter auf die Konfirmandenoase mitfahren. Viele der Mitarbeiter der vergangenen beiden Jahre hatten bereits im Vorfeld wieder ihre Bereitschaft zur Mitarbeit signalisiert. Zudem konnten neben zwei 15 bzw. 16jährigen Mädels, welche erste Mitarbeitererfahrungen im letzten Jahr sammelten, dieses Mal als Oaseneltern mitfahren. Obendrein fuhren zwei Mädels der letztjährig Konfirmierten mit. Denen hatten die Wochenenden auch besonders gut getan, weil sie dadurch in die Gruppe hineingewachsen sind. Die 15 bzw. 16jährigen sind Freundinnen, die bereits seit 2 Jahren eine Zweierschaft gestalten, sich besuchen, miteinander beten und Bibellesen. Sie hatten einmal gesagt, dass sie bei den Vertiefungstagen 2011 (in den Osterferien) gelernt haben, wie man Bibel liest und das Gebet gestaltet. Inhaltlich orientierten sich die Vertiefungstage an den Gedanken zur Erarbeitung eines Deuterokatechumenates von Christoph Richter (Vom Leben mit der Bibel, vom Leben im Gebet…).

Jetzt habe ich zufällig erfahren, dass die 15jährige Mitarbeiterin eine neue Zweierschaft mit der einen der neu konfirmierten jungen Damen begonnen hat. Und da die beiden ca. 20km entfernt wohnen, machen sie ihre Stille Zeit per SMS. Flaterate macht´s möglich! Im Übrigen gab es auf der Oase selbst überdurchschnittlich viele Konfirmanden, die äußerten, dass sie in eine Mitarbeiterschaft in den nächsten Jahren hineinwachsen wollen. Hier setzt mein erster Gedanke an.

1. Impuls: Junge Menschen brauchen junge Vorbilder.

Das ist keine neue Erkenntnis. Sie verstärkt sich aber durch die vorangestellten Beobachtungen. Und die Oase war hier kein Einzelfall: Im Oschatzer Raum gibt es eine selbstständig arbeitende junge Gruppe, die einen Jugendgottesdienst vorbereitet – nahezu komplett ohne Hauptamtliches zutun. Die Hauptamtlichen benötigen sie nur als beratende Funktion. Diese Gruppe hat seit Jahren kein Problem, Nachwuchs für die Abgänger zu finden.

Und gegenteilig muss gesagt werden: Es gibt Regionen in unserem Kirchenbezirk, wo es schlichtweg so gut wie keine jungen Mitarbeiter gibt. Die Pfarrerinnen und Pfarrer dort nehmen aber auch ungern unerfahrene Mitarbeiter mit auf Rüstzeit, denn das ist anstrengend und oftmals auch bei weitem nicht so perfekt, wie man sich dies gerne wünschte. Man mag dadurch Pannen und Fehler vermeiden und „perfektere“ Rüstzeiten halten. Aber es bleibt für die jungen Konfirmanden eine Mangelerfahrung, weil sie keine Andockpunkte finden. Die Rüstzeit oder Oase bleibt eine schöne Erfahrung, hat aber nachwirkend keine Konsequenzen, weil die Jugendlichen nicht erkennen, dass sie sich auch auf den Weg des Glaubens machen sollen und dürfen.

Junge Mitarbeiter hingegen berühren die Lebenswelt der Konfirmanden viel stärker und werden damit automatisch zu einer Herausforderung: „Hey, Gott hat etwas mit dir hier und heute und jetzt zu tun!“ Das biblische „Heute, wenn ihr seine Stimme hört…“ wird so persönlich hörbar und erlebbar. Aus dem 1. Impuls folgt aber ein zweiter:

2. Impuls: Junge Mitarbeiter müssen „zu den jungen Leuten wollen“.

Junge Mitarbeiter haben ist allein schon gut, reicht aber nicht aus. Sie müssen sensibilisiert werden, noch jüngere Leute an die Hand zu nehmen. Das beginnt zwar mit einer Sympathie, die nicht unbedingt machbar ist. Aber es gibt Möglichkeiten, wie diese Sympathie wachsen kann!

a) Zunächst müssen sie eine Herzlichkeit, eine Liebe für die anderen entwickeln. Das geschieht allein schon dadurch, dass man mit anderen etwas macht. Seit einem Jahr betreue ich selbst als Leiter eine neu gegründete JG in meinem Dienstgebiet. Die Jungs dort sind nicht gerade zart besaitet. Aber ich habe sie liebgewonnen! Ich bin in der JG so oft es geht. Und wir essen auch gemeinsam und machen danach noch den Abwasch. Neulich hatten wir einen Ausflug zum GoKart fahren und Kabarett. Das schweißt zusammen und lässt die Leute lieb gewinnen.

b) Die Menschen lieb gewinnen, geht auch hervorragend durch Gebet – und zwar namentlich und möglichst mehrmals in der Woche. Wenn junge Mitarbeiter die Konfirmanden schon mit Namen kennen, dann ist da eine ganz andere Beziehung zu den Leuten da. Aus diesem Grund habe ich mir zur Vorbereitung der Oase die Konfirmandenlisten aus den beteiligten Gebieten geben lassen. Und wir haben an den Mitarbeiterwochenenden festgelegt, dass jeder Mitarbeiter für 2 Konfis betet.

c) Gegenseitiges Zeugnis ermutigt. Also, wenn ich höre, wie sich die eingangs beschriebene SMS-Stille-Zeit-Gemeinschaft gefunden hat, lässt mich das jubeln und spornt mich an! Aber wir geben eben oft auch zu wenig Zeugnis. Wir müssen den Mund aufmachen, was wir mit anderen erleben!

d) Begleitung ist kein punktuelles Erlebnis! Wer eine Sympathie für andere entwickelt und sich wirklich für den anderen interessiert, kann nicht bei einer einzelnen Aktion stehenbleiben. Das funktioniert nicht beim Gebet, auch nicht bei einer einzelnen Unternehmung. 1996 gab es eine Evangelisation in Leisnig. Ich war dort als Mitarbeiter. Ein junger Kerl hatte an einem Abend den Ruf nach vorn gehört und sein Leben bewusst Jesus anvertraut. Ich habe mit ihm gebetet. Und dann habe ich ihn ein paar Mal besucht, bin die 40km mit meiner Simson durch die Gegend gebraust und habe ihm Weihnachten mal einen Bibelleseplan fürs nächste Jahr zukommen lassen. Das war mitunter auch für mich eine Überwindung und auch anstrengend, weil ich schon ein paar Jahre älter war und zum Teil auch andere Interessen hatte. Als ich diesen jungen Menschen nun nach vielen Jahren wiedertraf, sagte er mir: „Du warst damals der, der mir auf die Beine geholfen hat!“.

Es gibt also wirklich gute Möglichkeiten, das Zuwenden zum anderen zu lernen. Und das muss trainiert werden. Denn nichts ist schlimmer für den Glauben als eingefahrene Gruppen! (Gruppendynamik lässt sich zwar nicht aushebeln, aber ich kann etwas tun, um mich neuen Menschen zuzuwenden!) Wir müssen die Jugendlichen Mitarbeiter schulen und ermutigen, die anderen/neue Leute lieb zu gewinnen. Und letztlich sind wir – ganz im Sinne von Punkt 1 – selbst Vorbilder! Können wir als gestandene Christen (ganz gleich ob hauptamtlich oder nicht) sagen, dass wir die Jüngeren Leute lieb gewonnen haben? Oder ist die Beschäftigung mit ihnen nur eine schwer zu nehmende Pflichtaufgabe?

3. Impuls:  Wir müssen bereit werden, Fehler zuzulassen und auch selber zu machen.

Auch wenn ich jedweden Dienst unserer Pfarrer sehr schätze, so erlebe ich doch verstärkt gerade in dieser Spezies einen Hang zur Perfektion und Korrektur „zum Richtigen“. Im 1. Impuls hatte ich angedeutet, dass das Einlassen auf jüngere immer auch anstrengend ist und eine gewisse Unvollkommenheit mit sich bringt. Aber letztlich gibt es dazu keine Alternative. Mal ganz abgesehen von Matthäi am Letzten. Dort kann man konzentriert etwas über das Wesen Jesu erfahren. Er sendet alle. „Gehet hin!“ Davor steht aber noch – sehr leicht zu überlesen: „Einige aber zweifelten!“ Jesus sendet uns, obwohl wir alles andere als vollkommen sind. Menschlich gesehen kann das „Unternehmen missio dei“ nur scheitern. Aber so ist es ja nicht wirklich. Denn Gott kommt zum Ziel, weil er doch selbst Lenker und treibende Kraft ist. Aber er bedient sich halt seiner geliebten Menschenkinder. Warum also nicht Gott selbst als Lehrer zum Vorbild nehmen und die Unvollkommenheit in Kauf nehmen?

4. Impuls: Im Gegensatz zur Unvollkommenheitim letzten Impuls ist die Mitarbeit einzelner, junger Leute immer auch eine riesige Bereicherung.

Denn biblisch gesehen geschieht hier das Prinzip des Dienens. Und da haben wir ja gerade in der Oasenarbeit schon viele Jahre hervorragende Erfahrungen gemacht. Da bringen Menschen ihre Gaben ein. Das, was sie gut können, wird zum Segen für andere. Auf diese Weise bleiben die Leute nicht bei sich selbst, sondern leben ihre Berufung. Und das Wollen einer großen Mitarbeiterschaft wird meines Erachtens umso größer, je mehr wir Mängelwesen sind. Will sagen: Je mehr Dinge ein Mensch gut kann, desto weniger ist er auf andere angewiesen und es fällt schwerer, anderen das Feld zu überlassen. Im Übrigen erlebe ich mich hier selbst als ein „gesegnetes Mängelwesen“. Ich kann weder hervorragend mit PC und Technik umgehen, bin nicht in der Lage auf musikalischem Gebiet besonders zu glänzen, habe im modernen sportlichen Freizeitbereich (Outdoor) keine guten Qualifikationen, bin aber Jugendmitarbeiter! Ich halte für die anderen den Kopf hin – und das tue ich gerne! Wie kann ich mich drüber freuen, wenn wir auf den Oasen eine hervorragende Technikerarbeit, sogar eine Tageszeitung haben oder wenn Musiker die Menge mitreißen! Oder: in Pappendorf gab es ab und zu einen Erlebnistag, wo sämtliche erlebnispädagogische Elemente angeboten wurden (alles von Jugendlichen selbst zusammengestellt) und sich so eine fantastische Begegnungsmöglichkeit geboten hat. Ich erlebe aber, dass es für viele – gerade Hauptamtliche - heute nicht leicht ist, auszuhalten, dass andere in vielen Dingen besser sind. Wer will sich nicht selbst vor anderen profilieren und zeigen, dass er „gut“ ist?! Und ich habe selbst erlebt, dass man erstmal lernen muss, dass Mangelbegabung ein Segen ist (de facto ist das ja sogar noch gar nicht mal so, denn ich bin doch vom HERRN reich beschenkt!). 

5. Impuls: Junge Menschen brauchen Verantwortungszutrauen und damit die Fähigkeit, sich beweisen zu können.

Freilich ist dieser Punkt eng mit Impuls 3 verknüpft. Aber ich erlebe es immer wieder: Jugendliche lassen sich ganz schwer motivieren, auf eine gewöhnliche Rüstzeit mitzufahren. Wenn ich sie aber frage, ob sie dies und das tun können, lassen sie sich rufen. Wir haben im Sommer ein großes Projekt in Pappendorf in Planung! Das BIETZ (ein Festival mit Seminaren, Workshops, evangelistischen Abenden und einigen Konzerten). Wir haben derzeit mehr angemeldete Mitarbeiter als Teilnehmer. Es ist also – karikiert gesprochen – am Besten, man veranstalte eine Rüstzeit und gebe jedem, der zur Teilnahme gewonnen werden soll, eine Aufgabe. (Im Übrigen darf man sich für das BIETZ gerne noch anmelden. Infos unter www.christlichejugend.de; gebt die Info gerne an Jugendliche ab 13 in euren Kirchgemeinden weiter).

6. Impuls: Haben wir noch Zeit für Menschen?!

Dieser Gedanke kommt mir nicht, wenn ich auf die Erfahrungen mit jungen Menschen blicke. Dieser Gedanke kommt mir zuerst, wenn ich auf Kirchgemeinden schaue! Da ich viel herumkomme, habe ich eine gewisse Außenwahrnehmung. Ich möchte hier Jesaja 9,3 zitieren: „Gott hat den Stecken des Treibers zerbrochen“. Wenn ich aber auf die Gemeinden blicke, erlebe ich, dass dieses biblische Zeugnis nicht gelebt wird. Es scheint einen modernen Treiber zu geben, der die Leute unermesslich hetzt! Beispiel: Ich versuche eine Oase in einer Kirchgemeinde anzubahnen. Ich denke mir, in dieser Gemeinde dürfte es kein Problem sein, Quartiere zu finden. Ich spreche mit dem Pfarrer. Er antwortet mir: „Wir haben schon so viel am laufen in unserer Gemeinde – das können wir nicht auch noch tun!“ Mir ist zum Heulen zumute. Gastfreundschaft wird zur Last – bitte nicht noch mehr Aufgaben – wir können kaum noch! Anderes Beispiel: Ein Jugendlicher schreibt mir eine Mail, weil er durch ein JG Thema angerührt wurde. Ich schreibe zurück, wir sollten uns treffen und mal eine Runde spazieren gehen. Er meint darauf: „Können wir machen, aber ich will nicht deine kostbare Zeit beanspruchen!“. Ich stocke und denke: Was gebe ich an meine Umwelt für ein Signal?! Ich werde ihm deutlich machen, dass ich genau dafür da bin, Zeit zu haben! Gerade jetzt am Wochenende habe ich es erlebt. Ich habe eine längere Autofahrt nach Hause vor mir. Im Auto sind noch 3 Jugendliche. Es ist Abend und wir haben Zeit. Ich fahre entspannt und es beginnt ein tiefgreifendes Gespräch, so intensiv, dass wir noch vor der Haustür beim ersten abzusetzenden stehenbleiben und weiterreden.

Wenn wir wirklich wollen, dass der Funke des Glaubens überspringt, brauchen wir Zeit! (Hier sind wir wieder beim Punkt 2d).Was haben Missionare in den verschiedenen Teilen der Welt gemacht? Sie haben zunächst mit den Leuten gelebt. Ich erlebe in unserem christlichen Umfeld genau das Gegenteil: Man zieht sich von Menschen zurück, um für die Aufgaben der Kirchgemeinde da zu sein (auch dieser Satz ist etwas überzogen formuliert, um die Sache zu verdeutlichen).

Schlussbemerkung

Wenn ich die Impulse zusammen nehme, dann ergibt sich für mich für die Oasenarbeit in der Summe eine ganz positive Sicht. Denn das Konzept der Oasenarbeit ist ausgelegt auf die verschiedenen Dienstgruppen und basiert auf vielen Mitarbeitern. Es ist aus meiner Sicht nicht verwunderlich, dass die meisten jugendlichen Mitarbeiter unseres Kirchenbezirkes aus dem Gebiet kommen, wo Konfirmandenoasen stattfinden.

Aufpassen müssen wir allerdings, dass nicht das Konzeptionelle Denken die Zuwendung und die Liebe zu den teilnehmenden Konfirmanden untergräbt. Wir haben es mit heranwachsenden Menschen zu tun, die Vorbilder suchen und brauchen und die sich gerne einbringen wollen. Sie zu formen und sie zu gewinnen, braucht Zuwendung und damit Zeit und Liebe. In diesem Sinn will ich die jungen Mitarbeiter anleiten.

Ein Bild zum Abschluss: Für mich sind die jungen Leute wie wertvolle Gläser, die ich nicht nur füllen, sondern auch pfleglich behandeln darf. Gläser sind leicht zerbrechlich. Deswegen will ich behutsam mit ihnen umgehen, d.h. vor allem: Ich will für sie beten, dass der HERR selbst auf diese Kristalle Acht gibt.

Langenstriegis, 27.05.2013

Kai Barthel, Jugendmitarbeiter im Kirchenbezirk Leisnig-Oschatz


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